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Dr. Anton
Gugg, Vernissagerede zu "Pittura Botanica" (Salzburg, 8.11.2006)
Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Kunstfreunde
Botaniker sind schon sehr eigenartige, faszinierende Wesen - Wie alle
vom
Suchdrang besessenen Menschen, die einem ganz bestimmten Ding, einer ganz
bestimmten Erscheinung bis auf den Grund gehen. Es gibt Spezialisten für
Käfer, Schmetterlinge und Vögel - begnadete Erforscher des großen
Krabbelns und Flügelschwirrens. Es gibt aber auch Menschen, die gleichsam
eine Lupe, ein Mikroskop eingebaut haben. Sie haben keine Augen im Kopf,
sondern ein Vergrößerungsglas und genau dieses richten sie
auf winzige
Knöspchen, die sich plötzlich aus Stengeln und Ästen zwängen.
Es sind
Brüder des strengen Ordens der Botaniker - agierend mit einer eigenen
Sprache, begabt mit ungeheurer Geduld. Sie erkennen Strukturen, die andere
nicht einmal erahnen können, sie klassifizieren und ergehen sich
in
Zuordnungen zu Pflanzenfamilien und deren zahllosen Verästelungen.
Botaniker spüren einem Wunder nach, das alltäglich ist und das
doch noch
von niemandem auch nur annähernd erklärt werden konnte. Warum
dieses
Blättchen genau an dieser einen Stelle ans Licht dringt, warum dies
überhaupt passiert, was hinter diesem unscheinbaren und doch
ungeheuerlichen Geburtsakt steckt.
Meine Damen und Herren - diese Kurzbetrachung über die Pflanzensammler
und
Analytiker mag vielleicht ein wenig hilfreich sein bei der Begegnung mit
den aktuellen Bildern des Saalfeldener Künstlers Christoph Feichtinger,
in
dessen Familie die Besessenheit vom ganz großen grünen Weltwunder
in der
denkbar kleinsten Form keine unbekannte Leidenschaft ist. Die Lust an
Spreiten und Sprossen, an Stengeln, Deckblättern und Stempeln, an
echten
wie falschen Blütenblätter, an Keimlingen und Staubgefäßen,
kurz an der
Anatomie der fleischlosesten, keuschesten aller Körper hat sich auf
Christoph Feichtinger übertragen.
Es gibt ja Künstler, für die sind Rosenblätter, Aronsstäbe
und das meiste
andere im Floras Reich hocherotische Teile mit entsprechender
stimulierender Bedeutung und auch die mythische Entstehung der Blumen
-
von Ovid so unübertroffen farbig erzählt - hat viel mit Geschlechtlichem
und mit lodernden Emotionen zu tun.
Nicht so für Feichtinger, dessen hyperreduzierte Pflanzenumrisse
fast
mittelalterlich jenseitig anmuten. Die sinnenverhaftete Antike hat hier
abgedankt und das wissenschaftliche Herbarium die Oberhand gewonnen.
Möchte man glauben, denn wer lange genug in die scheinbar streng
monochromen Bildgründe blickt, wird schattenhafte Vor- und Nachbilder
der
Linienschwünge mehr erahnen als sehen.
Die Ritzspur der Farbtube in den fein geschliffenen und zart
strukturierten wie kolorierten Ölfarbenflächen hat es jedenfalls
in sich.
Sie ist äußerst lebendig und vieldeutig. Sie hat Eigenleben
und
Beschwörungskraft. So wie es sich für eine Linie gehört,
die nicht bloß
eine nackte Umfassung, eine simple Grenzziehung sein will.
Christoph Feichtingers "Pittura Botanica" ist malerische Zeichnung
oder
zeichnerische Malerei. Auf jeden Fall kommt sie mit sehr wenigem äußeren
Aufwand aus und verlangt vom Betrachter, was dieser immer weniger bieten
kann. Nämlich Zeit, Reinigung und Beruhigung der überreizten
Sehnerven,
ein Sensorium für die Differenziertheit von Farbgebungen in
homöopathischen Dosen, für feinste Brechungen des Lichtes, für
superfeinkörnige Reliefs, für die Qualität einer Spur im
scheinbaren
Nichts. Angesichts solcher Bilder kommt leicht Spott auf und manch
gewiefter Schriftsteller - etwas die erfolgreiche Jasmina Reza - schlagen
Kapital aus der insgeheimen Verächtlichmachung einer superspartanischen
Kunst, der die Summe aller Farben, das Weiß heiliges Medium ist.
Es läßt sich an hyperminimalistischer Kunst eben sehr bequem
die
Kunstfeindlichkeit der großen Masse aufhängen und die bekannten
Spr üche
über Können und Nichtkönnen, Notwendigkeit und Überflüssigkeit
provozieren. Damit müssen bestimmte Künstler leben.
Christoph Feichtinger ist einer jener Künstler, die sehr bewußt
die total
vermanschte Ästhetik und das verkommene Konsumgehabe unserer Tage
auf den
Prüfstand seiner Bilder stellt. Er geht an die Grenze des Sichtbaren
und
läßt das Unsichtbare durchklingen. Er geht den Dingen auf den
Grund, er
filtert in seiner Malerei das Konzentrat der Dinge. Und das kann so
beglückend licht und leicht sein. Diese Arbeiten zeigen es.
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