Gespräch des Ch. Feichtinger mit Ch. Feichtinger anläßlich der Ausstellung »Nachtwach verlängert«


Fei.: Herr Feichtinger, Ihre bildnerischen Äußerungen sind in den letzten Jahren immer konzentrierter erfolgt, warum haben Sie das Bedürfnis, sich in Bildern zu äußern?
Fei.: Sich in Bildern zu äußern oder auszudrücken, ist diese Frage-stellung nicht zu sehr auf das Glücken oder den Erfolg ausgerichtet? Sicher gibt es ein ganzes Bündel von möglichen Beweggründen, sich der bildartigen Gestaltung zu widmen, aber möglicherweise wird das Resultat des bildnerischen Tuns, das »kalte Bild« in seiner erstarrten Form überbewertet; Voraussetzung für das Produkt »Bild« ist zunächst die Glut des schöpferischen Tuns, und die wird jedenfalls als gesteigerte Form des Daseins erlebt. Also das Bedürfnis, von dem Sie gesprochen haben, bezieht sich in erster Linie auf die Magie des bildnerischen Handelns, bei dem schließlich ein Bild entstehen kann.
Fei.: Der Besucher einer Ausstellung sieht demnach den zum Bild erstarrten kreativen Aufruhr? Welchen Sinn sehen Sie darin, die Mitmenschen mit toten Papieren bzw. Leinwänden zu konfrontieren?
Fei.: In der Tat halte ich die bezeichneten oder bemalten Flächenfür eine Fata Morgana, es sei denn, sie treffen einen Betrachter, desseneigeneSenstbilitätsteentfachen... dasKunstwerkistein Fenster zur schöpferischen Empfindsamkeit des Betrachters, oder es ist nicht.
Fei.: Herr Feichtinger, bei Durchsicht ihrer letzten Arbeiten imponiert die lineare Betonung der Gestaltung, wieso ist das Lineament in Ihren Bildern so dominant?
Fei.: Das hat zunächst mit der natürlichen Erregung zu tun, diedas Gewirk von Halmen, Blattwerk und Geäst, die das schrundige Gefüge karstiger Flächen oder schießende Wasser in mir auslösen; die Faszination von derartigen linearen Konfusionen spiegelt gewissermaßen die eigene verzweigte Veranlagung. Ich nehme aus der Natur also das, was genügend beredt ist, mein Fühlen anzudeuten. Ein weiterer Grund für die lineare Ausrichtung liegt in der überwiegend gestischen Art und Weise meines bildnerischen Handelns. Und schließlich mag mehr oder weniger die Liebe zur Kalligraphie in meinem bildnerischen Tun eine Rolle spielen.
Fei.: Der Anblick Ihres Ateliers bietet ein ganz besonders konfuses Szenarium, es scheinen sich Ihre Bilder - ohne erkennbares Bedeutungszentrum - am Boden, an den Wänden und am Arbeitsgewand fortzusetzen. ..
Fei.: Ja, sicher. Matisse hat einmal gesagt, sein Atelier sei gleichsam das Kino seiner Sensibilität. Es ist ja die Summe der Dinge und Spuren im Umfeld eines Indiviuums, und besonders natürlich eines schöpferisch tätigen, nicht zufällig. Und eben dieses Faktum hat eines Nachts Herbert Huber mit seiner Kamera wiederentdeckt...
Fei.: ... und dokumentiert.
Fei.: Sowohl! Aber, und das hat uns beide stupend angerührt, bei ihm ereignet sich diese Aufzeichnung auf einer künstlerischen Ebene. Die Schwarz-Weiß-Skala spielt mitten durch dasplatte Bedeuten, und dann kommt noch die aufregende Unschärfe der Bewegung dazu, also die den zwe iDimensionen de sPapiers kaum anzuverwandelnde Kategorie der zeitlichen Entwicklung.
Fei.: »Nachtwach verlängert«, »Doppelschritt auf Leinwand und Papier« - welche Bewandtnis hat es mit dieser Nennung?
Fei.: Die Nacht ist frei von gewöhnlichen Einteilungen, sie hat ein offenes Ende... das sind äußerliche Umstände, die uns geeignet waren parallel schöpferisch tätig zu sein, und naturgemäß sind wir empfindlich für den dunklen Rahmen der Nacht, der magisch das Geheimnis des Daseins umfängt.
Fei.: Sie haben vorhin von der Kategorie der zeitlichen Entwicklung gesprochen. Die Kunstpsychologie hat eine solche auch für den Betrachter geltend gemacht, es wird ein Bild in Art einer umherschweifenden Augenreise erfaßt, und nicht, wie man meinen könnte, auf einen Blick!
Fei.: Gewissermaßen wird die Aufmerksamkeit von Ausschnitt zu Ausschnitt verlängert.
Fei.: Oder von Abschnitt zu Abschnitt; spekulieren Ihre aus kleinen Bildtafeln zusammengesetzten Polypticha mit dem Gedanken einer Blicksortierung?
Fei.: Nicht vorsätzlich, aber es stellt sich dieser Effekt ein. VeranIassung für die mehrteiligen Bilder waren zunächst praktische Gründe, und dann die besonders in den Photographien spürbare Tatsache der Ausuferung von malerischer Bezeichnung über die Leinwand hinaus auf die Atelierwand; wenn also dann die Leinwand aus dem Entstehungsumfeld ausgenommen wird, so kann man sich vorstellen, man hätte den Rand des Bildes beschnitten und zeigt ein Detail; da war also die Versuchung zwingend, auch größere Leinwände in Teile zu zerlegen.
Fei.: Wobei Sie bezeichnender Weise auf Rahmungen verzichtet haben, um weder die Zusammengehörigkeit noch die Detailhaftigkeit der Einzeltafeln zu stören.
Fei.: Für diese Ausstellung halte ich es für richtig, der Augenreise keine Rahmenbedingungen zu stellen ...
Fei.: ... keine Grenzen zu setzen!


Ch. Feichtinger